20. April 2024

Pilot-Projekt COMPASSION des Schulzentrums Stetten a.k.M.

Das Leuchten in den Augen des Kindes

Annemarie Ziegler

Gegen die spürbare Zunahme sozialer Kälte in unserer Gesellschaft setzt Schulseelsorgerin und Religionslehrerin Martina Straub am Schulzentrum Stetten a.k.M. ein deutliches Zeichen der Mitmenschlichkeit: in diesem Jahr hat sie in einem Pilot-Versuch mit den Lernpartnern der Lerngruppe 10 das Projekt COMPASSION initiiert, das Schüler im Umgang mit hilfebedürftigen Menschen sensibilisieren soll. Der Erfolg ihres Projektes gibt Martina Straub Recht: soziales Engagement ist eine ebenso wichtige Kompetenz wie ein Schulabschluss und bildet einen Menschen ganzheitlich.

COMPASSION wurde als Projekt sozialen Lernens von einer Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg ins Leben gerufen. Ziel sollte sein, Schülern für den Zeitraum eines Praktikums Einblick in verschiedene soziale Einrichtungen wie Altenheime, Kindergärten oder caritative Stellen zu gewähren, um ihnen Gelegenheit zu geben, eigene Erfahrungen im Umgang mit Benachteiligten zu sammeln und ihr Einfühlungsvermögen zu stärken. 2002 wurde COMPASSION mit dem Alcuin-Award der European Parents Association ausgezeichnet und entspricht dem 2004 im Bildungsplan für die Realschulen in Baden-Württemberg verankerten themenorientierten Projekt Soziales Engagement.

Angepasst an die örtlichen Verhältnisse in der Gemeinde Stetten a.k.M. startete die erste COMPASSION-Gruppe im Januar 2020 mit einem Umfang von acht Stunden Betreuung hilfebedürftiger Menschen aus dem eigenen Umfeld. Verwandte, Freunde und Bekannte wurden auf ihrem teils schweren Lebensweg begleitet und unterstützt. Die gewonnenen Einsichten notierten die Lernpartner in einer verpflichtenden Dokumentation, die eine Tätigkeitsbeschreibung der geleisteten Unterstützung sowie eine eigene Reflektion enthielt. Auf dieser Grundlage erfolgte nach Abschluss der COMPASSION-Zeit das unterrichtliche Gespräch, in dem die teils einschneidenden Erfahrungen der Schüler professionell aufgearbeitet wurden.

Hingebungsvoll und kreativ gestalteten die Schüler ihre Dokumentationen. Foto: Martina Straub

Mitmenschliches Handeln und Solidarität gelten als Grundpfeiler gelungener Sozialisation und befähigen zur Übernahme ethisch relevanter Aufgaben im eigenen Lebensumfeld. Von Menschen, die dauerhaft auf die Hilfe anderer angewiesen sind, können diejenigen etwas lernen, für die es selbstverständlich ist, gesund und eigenständig zu sein. Dass es dabei zu bereichernden, tiefen zwischenmenschlichen Einsichten und Erlebnissen kommt, können die Lernpartner des Pilotversuches nun aus eigener Erfahrung berichten. Etwa, dass sich jemand darüber gefreut hat, dass man beim Rasenmähen besonders schöne Blumen hat stehen lassen. Oder dass es überhaupt schön ist, sich zu sehen und Zeit miteinander zu verbringen. Es tue so wohl, für Kleinigkeiten ein Dankeschön zu erhalten und auch mit unbedeutenden Dingen viel zu bewirken. Es sei unbeschreiblich, wenn Zuwendung in Kinderaugen ein Leuchten erstrahlen lasse. Ganz besonders nahe gingen den betroffenen Schülern drei Sterbende. Die gemeinsame Dankbarkeit für die wertvolle Zeit des Miteinanders, die man sich sonst vielleicht nicht genommen hätte, wurde zu einer existentiellen persönlichen Erfahrung.  

Die Herzenserfahrungen der jungen COMPASSION-Begleiter hat die Schulseelsorgerin Frau Straub auf kleine bunte Stofftücher gemalt und nebeneinander gereiht: eine Gebetsfahne nach dem buddhistischen Vorbild. So spannte Sie auf ganz praktische Weise den Bogen zum vorherigen Lerngruppenthema „Buddhismus“. Nach buddhistischer Vorstellung werden die aufgeschriebenen Worte mit dem Wind in die Welt und den Himmel geweht.

Die Gebetsfahne der Lerngruppe des Schulzentrums. Foto: Martina Straub
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