20. април 2024

Pausenchecker im Einsatz

Das könnte Schule machen. Schulsozialarbeiter Tobias Buck hat sich der allgemein beklagten Spannungslage in den Pausenzeiten am Schulzentrum Stetten zwischen den aufsichtführenden Lehrkräften und energiegeladenen balgenden Kids angenommen und ein beispielhaftes Novum kreiert: Seit einem halben Jahr unterstützt das Team der Pausenchecker aus den Lerngruppen 10 die Arbeit der Lehrkräfte auf dem Schulhof und in den Fluren während der ersten beiden großen Pausen. Die Checker helfen nach dem Gong dabei, dass die Lernpartner zügig aus den Fluren Richtung Pausenhof aufbrechen.

Ideengeber des Projektes waren tatsächlich die Lernpartner selbst: Nils Bücheler und David Steidle aus der Lerngruppe 10.1 machten den Vorschlag, mit den Lehrkräften zusammen in den Pausen Aufsicht führen zu dürfen, wenn sie dafür im Winter in den Gängen bleiben konnten. Ein zugegeben persönlich eingefärbter Wunsch – aber ein ausbaufähiger Ansatz für Buck. Hier schlummerte eine geniale Idee, der Meinungsverschiedenheiten zwischen Schüler- und Lehrerschaft über das Verhalten und Agieren in den Pausen beizukommen: Schüler als Hilfskräfte einsetzen!

„Auslöser für das Entstehen des Pausenchecker-Jobs war z. B. die Frage, wie es in der Außensituation zu weniger Konflikten kommt und Strafen minimiert werden können“, erklärt Buck die Anfänge seines Projektes. „Die Checker schaffen eine klare örtliche Transparenz. Indem Schüler in eine Mitverantwortung gestellt werden, können wir einen guten Pausenverlauf unterstützen, und durch die Kooperation mit der Lehrerschaft verlaufen die Pausen nun nahezu konfliktfrei.“ Und mit einem Lächeln fügt er an: „Das Miteinander wirkt deutlich entspannter.“

Als Gemeinschaftsschule aus Primarstufe und Sekundarstufe hat das Schulzentrum Stetten generell eine quirlige Pausengemeinschaft zu beaufsichtigen. Zwar können sich alle auf dem weitläufigen Gelände gut verteilen, aber Reibereien entstehen trotzdem. Wie helfen in dieser Situation die Checker?

„Die Pausenchecker haben einen Dienstplan, wer wann wo sein muss“, skizziert Buck den organisatorischen Ablauf. „Ihre Aufgabe ist es, Schüler in die Pausengrenzen zu verweisen, wenn diese missachtet werden, und zu beaufsichtigen, dass alle in der Pause das Gebäude verlassen. Sie besitzen einen Ausweis, um als Checker erkannt zu werden. In regelmäßigen Abständen treffen sie sich mit der Schulsozialarbeit und besprechen ihre Erfahrungen.“

Das ambitionierte Projekt fördert und fordert die Beteiligten zugleich: Auch für die Checker selbst heißt es, Vorbild sein und aus der Schülerrolle heraustreten können. Eben noch Kumpels im Klassenzimmer – nun Autoritätspersonen und weisungsbefugt. Kann das während der Pubertät überhaupt gelingen?

Die Stufenleitung der Lerngruppen 5-7 Annemarie Ziegler hat mit einigen Checkern ein Interview über ihren neuen Job geführt und ist der Frage auf den Grund gegangen, wie Schüler untereinander mit Hierarchie umgehen lernen.

Interview mit Jonas Jacob, Jacek Sielicki, Julian Ruff, Lucia Herre und dem stellvertretenden Schülersprecher Daniel Kratschmann:

Ziegler: Ihr seid nun schon ungefähr ein halbes Jahr lang als Pausenchecker im Einsatz – wie gefällt euch der Job?

Jonas: Das macht auf jeden Fall Spaß! Man kommt auch mit den kleineren Schülern etwas mehr in Kontakt.

Jacek: …obwohl die Kleinen nicht immer auf das hören, was man sagt! (grinst)

Julian: Ja, manche können respektlos sein.

Lucia: Man hat eine Verantwortung für das, was man tut.

Daniel: Gut ist, dass man gleich helfen kann, wenn z. B. kleine Kinder hinfallen. Aber es gibt wenig Zwischenfälle.

Ziegler: Wie war das, als Toby Buck am Anfang kam und euch die die Idee vorgestellt hat? Was habt ihr so gedacht, wart ihr skeptisch oder gleich mit Feuereifer dabei?

Julian: Ich war ein bisschen skeptisch, ich kannte das ja bisher noch nicht …war mal was Neues!

Daniel: Ich war auch voreingenommen, weil ich dachte, es wird nicht klappen. Viele Schüler sind immer so aufmüpfig…aber hat im Endeffekt doch geklappt! (lacht)

Lucia: Manchmal versuchen sich die Schüler uns gegenüber schon durchzusetzen – da muss man dann vielleicht einen Lehrer suchen. Aber irgendwann gibt sich das.

Ziegler: Wie oft kam es vor, dass ihr Unterstützung holen musstet?

Lucia: Tatsächlich noch nie, wir konnten es immer untereinander regeln.

Ziegler: Ihr wünscht euch ja ein deutliches Zeichen, an dem man euch als Checker erkennt. Mit Toby Buck denkt ihr momentan z.B. über das Tragen einer Warnweste nach.

Daniel: Die Kleinen (Grundschüler) erkennen einen sonst nicht. Außerdem wären damit die Dienst-Schichten klar, wer ist wo, man sieht den Checker dann schon von weitem.

Ziegler: Wie geht ihr mit der persönlichen Anforderung um – ihr opfert ja auch die Pause. Im Winter ist das vielleicht bequem, man kann drin bleiben, aber es ist trotzdem zusätzlich. Ihr könnt in der Dienstzeit zum Beispiel nicht zur Toilette oder etwas essen, mit den anderen Zeit verbringen – ist das gefühlt eine Belastung?

Alle: Nee, ist ok, es geht.

Ziegler: Was denkt ihr über die Zukunft des Projekts – was ist gut und was müsste man noch verbessern?

Jonas: Man müsste auf jeden Fall schauen, dass die Checker mehr Autorität haben, noch mehr akzeptiert werden.

Daniel: Wir haben ja einen klaren Dienstplan, aber die Lehrer wissen manchmal nicht, wer wer ist und die Grundschüler ebenso. Wir könnten mal bei ihnen in den Klassen durchlaufen und erklären, wie das abläuft, was die Pausenchecker machen.

Ziegler: Haltet ihr dieses Projekt für sinnvoll, sollte man das an anderen Schulen auch machen?

Breite Zustimmung

Ziegler: Ihr seid Prüfungsjahrgang und habt momentan auch andere Baustellen, als immer die Pausen abzugeben. Toby Buck wird euch daher bald ausplanen und neue Checker einweisen. Ab wann kann man das machen, kann man auch schon 8er einbeziehen?

Jacek: Nee, die werden noch nicht als die Großen wahrgenommen. Vor denen hat man vielleicht weniger Respekt.

Daniel: Ich würde sagen, es geht ab der 9. Klasse.

Ziegler: Was habt ihr persönlich dazugelernt?

Daniel: Dass es weniger Konflikte gibt– früher sind irgendwelche Schüler ohne Aufsicht drin geblieben und dann entstanden Stresssituationen mit Lehrkräften – das ist so gut wie verschwunden.

Lucia: Der Grundschulbereich hat jetzt eine Hilfe.

Julian: Der Respekt uns gegenüber ist auf jeden Fall größer geworden.

Jacek: Ich glaub, dass man sich eher durchsetzen muss, weil man Leute rausschicken muss. Aber die wollen manchmal gar nicht, obwohl man es ihnen sagt.

Jonas: Es wird auf jeden Fall ruhiger in den Gebäuden. Es ist alles viel geordneter. Die Schüler sind nicht irgendwo in den Gängen verteilt.

Ziegler: Was ich toll finde, ist, dass ihr durch die gesamten Gebäudegänge geht, auch die Türen zu den Klassenzimmern öffnet und nachschaut. Es gibt immer Schüler, die sich dort verstecken, wenn der Lehrer zum Beispiel in Gedanken nicht abgeschlossen hat. Ich habe euch dabei als sehr verantwortungsvoll wahrgenommen. Nun werden die 9er als neue Checker eingearbeitet – Was würdet ihr ihnen aus der Praxis eurer Erfahrung mit auf den Weg geben?

Daniel: Dass sie nicht Schüler vorziehen, weil sie ihr Freunde sind. Es ist eine Herausforderung, die Rolle zu trennen, wann bin ich Kumpel und Mitschüler, wann in meiner Funktion.

Julian: Respektvoll miteinander umgehen, gerade als Vorbild und Autoritätsperson. Etwas, was man mit dieser Rolle lernt, ist, sich nicht im Ton zu vergreifen.

Ziegler: Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview! Am Ende eurer Dienstzeit geht ein riesen Lob an euch: Die Schule ist für eure Arbeit unglaublich dankbar, und sobald einer von euch fehlt, merkt man es direkt! Die Lehrerschaft ist beeindruckt davon, wie konsequent ihr eure Verantwortung wahrgenommen habt.

Das Schülerhilfskräfte-Projekt der Pausenchecker von Tobias Buck ist damit ganz klar ein Modell für die Zukunft der Pausenaufsicht: Die Checker sind bei Schülern wie Lehrern sehr gut angekommen, und als Pioniere des Projektes haben sie den schwersten Teil der Arbeit bewältigt, nämlich den Weg zu bilden, den die nachrückenden Hilfskräfte gehen werden.

Auf dem Foto von links nach rechts:
vorne: Nikoleta Nikolova, Julian Ruff und Tobias Buck
dahinter: Jonas Jacob, Jason Mielke, Tobias Mors, Lennox Joachimi, Nils Bücheler, Lina Siber, Désirée Gräfin Bernadotte, Alina Arnold, Vanessa Butz, stellvertretender Schülersprecher Daniel Kratschmann
Nicht auf dem Foto, aber ebenfalls als Checker im Einsatz sind: David Steidle, Hannes Kraft, Jacek Sielicki, Dawid Sielicki, Anna Strölin, Sarah Nolle und Alissa Conzelmann

sr_RSSerbian